Maßlose Unterhaltung - 

Franz Kafka und das Kino

Die ersten Vorführungen des Stummfilm-Kinos begannen mit rasanten Aufnahmen. Des Stillstands in der Fotografie müde geworden, setzte man auf Bewegung. Mit Vorliebe wurden fahrende Züge oder galoppierende Pferde gezeigt; zudem ferne Länder, besondere Sehenswürdigkeiten und allerlei Dinge, von denen man bisher lediglich in der Zeitung las. Das Publikum jauchzte vor Vergnügen.

Franz Kafka verfiel nicht so leicht dem neuen Phänomen. Für ihn war noch immer die „Ruhe des Blicks“ faszinierend. Eben diese attestiert er sich selbst bei seinen ersten Betrachtungen der noch unbewegten Bilder im Kaiserpanorama. Doch schon bald sah man ihn in den prächtigen Sälen der Kinopaläste Prags, gebannt vom mimischen und gestischen Spiel der Darsteller. Und Kafka ist plötzlich wie infiziert. Gesten und Details nehmen fortan auch in seinen Geschichten eine immer wichtigere Stellung ein. Sie beginnen zu sprechen. Kafkas Blick wird stereoskopisch.

Und als er dann schließlich 1912 den berühmten Albert Bassermann im Max Macks Film „Der Andere“ sieht, ist es um ihn geschehen: „Im Kino gewesen. Geweint… Maßlose Unterhaltung… Man müsse sich am Leben erhalten für den Kinematographen“.

Erzähler: Eine geschichtliche Wanderung vom Kaiserpanorama bis zum Kinematographen. Przemek Schreck erzählt und Richard Siedhoff zeigt eine restaurierte 8mm - Aufnahme von „Der Andere“ und begleitet virtuos am Piano.

ZUM REPERTOIRE
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